Ich bin in einem kleinen Dorf aufgewachsen, nicht weit von Wien entfernt. Alles, was mich interessierte, war Fußball. Georg Schmidt, der frühere Trainer der Nationalmannschaft, erzählte mir über den jungen Hans Krankl, dass er sich in seinem Wohnzimmer am liebsten an allen vier Seiten ein Tor aufgestellt hätte, um nach allen Richtungen ins Netz fetzen zu können. Damit konnte ich mich voll identifizieren.
Meine Schulnoten waren allerdings sehr schlecht und als mich meine Eltern nach meiner weiteren Schulausbildung oder meinen Berufswünschen fragten, so war mir das einfach nur egal. Aber nicht nur das, sondern mir war auch überhaupt nicht bewusst, dass diese Entscheidungen mein weiteres Leben prägen würden – ich lebte einfach in den Tag hinein, so als würde es kein Morgen geben.
Als ich eines Abends wieder einmal auf den Fußballplatz kam, gab es da ein paar neue Gesichter – was in unserem Dorf nicht sehr oft vorkam. Ein Vater und seine beiden Söhne kickten mit uns mit. Wie sich später herausstellte, kamen sie aus Amerika und waren Sportfanatiker, was mich natürlich sehr ansprach. Denn oft waren mir die Trainingseinheiten des Vereins zu wenig und ich stand alleine am Platz. Das änderte sich nun schlagartig und ich hatte endlich die richtigen Partner. Sie hatten sogar Fußballtore in ihrem Garten, womit das Ferienprogramm gesichert war. Aber ich lernte nicht nur Sportler kennen, sondern auch eine richtige Familie: Eltern mit drei Kindern. Als Einzelkind war mir das unbekannt. Ich liebte es, mit ihnen zu sporteln, zu spielen und Abende gemeinsam zu verbringen. Noch dazu hatten sie oft Besuch von anderen Familien und jungen Studenten, was die Gemeinschaft weiter bereicherte.
Ich hatte schon gemerkt, dass sie manchmal auch Themen gemeinsam besprachen und vor Studenten kurze Vorträge gehalten wurden, doch das tat für mich nichts zur Sache, ich lebte viel zu unbewusst, um wirklich etwas mitzubekommen. Doch eines Tages nahm mich der Vater mit seinem ältesten Sohn zur Seite und erzählte uns von seinem persönlichen Glauben. Am Ende schenkte er mir eine Bibel und lud mich ein, darin zu lesen. Wenn ich Fragen hätte, könnte ich ja zu ihm kommen.
Zu Hause öffnete ich dieses Buch und konnte nicht mehr davon loskommen! Ich war fasziniert und eine neue Welt öffnete sich mir. Aber nicht nur die Welt der Bibel, sondern es war, als ob Licht in meine Dunkelheit strömen würde und meine Augen öffneten sich auch für andere Menschen, Beziehungen, Zusammenhänge des Lebens, Literatur, Gesellschaft und vieles mehr.
Eines Abends, als ich wieder über meiner Bibel saß, hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Ich las in den Evangelien über den Kreuzweg Jesu. Das kannte ich schon aus meiner Kindheit, doch diesmal war es ganz anders. Plötzlich war es für mich kein bloß historisches Ereignis mehr, sondern wie ein Blitz traf mich der Gedanke, dass Gottes Sohn das alles für mich ganz persönlich getan hatte! Ich brach buchstäblich vor Gott zusammen und wurde gleichzeitig von seiner Gegenwart, Liebe und Gnade neu auferweckt.
Als ich später Theologie studierte, las ich bei Augustinus: „Wenn auf Erden auch nur ein einziger Mensch leben würde, hätte Gott trotzdem seinen Sohn gesandt, um ihn zu retten.“ Genau das war mein Erlebnis an diesem Abend. Heute bin ich glücklich verheiratet, habe sechs Kinder und liebe immer noch Fußball – ich bin Sportseelsorger. –Wolfgang